Kaffee spielte im Werk von Stefan Zweig (1881 bis 1942) eine große Rolle. So setzte er der Bohne mehrere literarische Denkmäler: Alleine sein autobiografisches Werk „Die Welt von Gestern“ ist ein Kaffeereiseführer rund um seine Lebensstationen Wien, Berlin, Zürich und Paris.

Von Wien nach Berlin

In Wien war Stefan Zweig (Fotonachweis: © Stefan Zweig Zentrum Salzburg) sehr „dem berühmten Café Griensteidl, dem Hauptquartier der jungen Literatur“ zugeneigt. Für ihn stellte „das Wiener Kaffeehaus“ eine „Institution besonderer Art“ dar, weil es „eigentlich eine Art demokratischer, jedem für eine billige Schale Kaffee zugänglicher Klub“ war. Zweig war fest davon überzeugt, dass vielleicht „nichts so viel zur intellektuellen Beweglichkeit und internationalen Orientierung des Österreichers beigetragen“ hat, als „dass er im Kaffeehaus sich über alle Vorgänge der Welt so umfassend orientieren (…) konnte.“ Es war die „beste Bildungsstätte für alles Neue“.

 

Zu seinem Studium verschlug es Zweig nach Berlin. Auch wenn „München mit seinen Malern und Dichtern als die eigentliche Zentrale der Kunst“ galt, schrieb er sich im Sommersemester 1902 an der Universität in Berlin ein. Empört musste er aber in Berlin feststellen, dass „der Kaffee […] dünn und schlecht (war), weil an jeder Bohne gespart wurde.“ In Berlin verkehrte Zweig sehr gerne im Romanischen Café und im Cafè Nollendorf-Casino (Nollendorfplatz). Im ersten Stock des letztgenannten Kaffeehauses kam die künstlerisch-literarische Vereinigung „Die Kommenden“ aus „Dichtern, Architekten, Snobs und Journalisten, junge Mädchen (…) zusammen.“ (Die Welt von Gestern, S. 138).

In seiner Erzählung „Buchmendel“, die in der Neuen Freien Presse (3. November 1929) erschien, flüchtete Stefan Zweig in das Wiener Cafè Gluck vor einem Regenguss: „Glücklicherweise wartet nun in Wien an jeder Ecke ein Kaffeehaus. (…) Unbeschäftigt saß ich also da und begann schon jener trägen Passivität zu verfallen, die narkotisch jedem wirklichen Wiener Kaffeehaus unsichtbar entströmt.“ In einem Brief an seinen Bruder Alfred (28. November 1931) schrieb er: „Ich könnte bequem in zwei Zimmern leben, ein paar Cigarren, einmal Caféhaus im Tag, mehr brauche ich eigentlich nicht.“

Richtig ins Schwärmen kam Stefan Zweig in Paris – die „Stadt der ewigen Jugend“ („Die Welt von Gestern“, S. 151), die er 1903 und 1904 besuchte. Er schrieb: „War man müde, so konnte man auf der Terrasse eines der zehntausend Kaffeehäuser sitzen und Briefe schreiben auf dem unentgeltlich gegebenen Briefpapier und dabei von den Straßenverkäufern sich ihren ganzen Kram von Narrheit und Überflüssigkeit explizieren lassen.“ (S. 156) Unter anderem hielt er sich im Café Vachette (Quartier Latin) oder im Café du Dôme (Montparnasse).

Von der neutralen Schweiz nach Salzburg

1917 zog er kurz nach seinem Ausscheiden aus dem Militärdienst in die neutrale Schweiz, genauer gesagt nach Zürich. Sein Stammkaffee wurde das Cafè Odeon. Hier spielte er sehr gerne Schach und lernte dort eine irische Schriftstellerlegende kennen, wie er es in seiner Autobiografie (S. 313) beschrieb: „Da saß meist allein in einer Ecke des Café Odeon ein junger Mann mit einem kleinen braunen Bärtchen, auffallend dicke Brillen vor den scharfen dunklen Augen; man sagte mir, dass es ein sehr begabter englischer Dichter sei. Als ich nach einigen Tagen James Joyce dann kennenlernte, lehnte er schroff jede Zusammengehörigkeit mit England ab. Er sei Ire.“ Nach seinem eineinhalbjährigen Aufenthalt in der Schweiz kehrte Zweig nach Salzburg zurück. Dort lebte der Schriftsteller 15 Jahre im Paschinger Schlössl am Kapuzinerberg (1919 bis 1934). Seine beliebtesten Kaffeeadressen waren das unweit der Salzach gelegene Café Bazar – hier las er die Zeitungen und schrieb u.a. „Sternstunden der Menschheit“ – und das Café Mozart (Getreidegasse), um hier Schach zu spielen.

Stefan Zweig an seinem Schreibtisch in Salzburg, etwa 1930.

Fotonachweis: © Stefan Zweig Zentrum Salzburg

Im Februar 1934 verließ er Salzburg und es begann eine wahre Odyssee. Zunächst lebte er über sechs Jahre im Exil in Großbritannien. Zuerst ging er nach London und kaufte dann das House Rousemount im Jahre 1939 in Bath, das er gerne sein „Ersatz-Salzburg“ nannte. Im Juni 1940 verschlug es ihn nach New York. In all diesen Jahren blieben Kaffeelokale immer beliebte Orte, um dort zu arbeiten.

Das Kaffeeland Brasilien: Neue Heimat von Stefan Zweig

Nach den USA ging Stefan Zweig in die ehemalige Residenzstadt des brasilianischen Kaisers Pedro II. Petrópolis, nördlich von Rio de Janeiro.

 

In der deutschsprachigen Zeitung Pester Lloyd publizierte Zweig ab 1936 seine Berichte über Brasilien.

Für ihn war Brasilien, wie er im Vorwort schrieb,„im kulturellen Sinne noch so eine terra incognita, wie sie es den ersten Seefahrern im geographischen gewesen“. Im September 1941 verfasste er folgende Zeilen: „Wir sind heute glücklich übersiedelt. Es ist ein ganz winziges Häuschen, aber mit großer gedeckter Terrasse und wunderbarem Blick. Jetzt im Winter reichlich kühl und der Ort so schön verlassen wie Ischl im Oktober oder November. Aber endlich ein Ruhepunkt für Monate und die Koffer werden eben auf langes Niemehrwiedersehen verstaut.“

Der Kaffeehausenthusiast reiste dreimal (1936 / 1940 / 1941) in „eines der vorbildlichsten und darum liebenswertesten Länder unserer Welt“, nach Brasilien – einem Land, in dem er „einen Blick in die Zukunft unserer Welt getan“ hat. Für ihn war, wie er sein 1941 erschienenes Buch nannte, „Brasilien ein Land der Zukunft“.  Zum Zeitpunkt der Brasilien-Aufenthalte Zweigs lebten in den 1930er Jahre über 40 Millionen Menschen in diesem Land, in dem „König Kaffee“ regierte: „Mit Kaffee kauft und bezahlt Brasilien die wenigen Rohstoffe, die ihm fehlen. (…) Kaffee bedeutete hier (…) Gold und Reichtum, Gewinn und Gefahr.“ So schrieb der Schriftsteller in seinem Aufsatz „Besuch beim Kaffee“:  „Der Weltmarktpreis des Kaffees (war) das eigentliche Thermometer der brasilianischen Wirtschaft“.

Bis 1920 produzierte Brasilien etwa 80 Prozent des weltweit angebauten Kaffees. Als Ende der 1920er Jahre der Weltmarktpreis des Kaffees fiel, hatte die brasilianische Kaffeeausfuhr nachgelassen. Im Jahr 1929 gingen von dem brasilianischen Export in Höhe von 1,75 Milliarden Mark 12,7 Prozent nach Deutschland. Zweig reiste gerade zu dem Zeitpunkt nach Brasilien, als in Deutschland Fotos der „Quemadas“ – massenhafte Vernichtung (80 Millionen Säcke Rohkaffee) unter dem Präsidenten Getúlio Vargas in den 1930er Jahre – kursierten.

Die Brasilianer lieben besonders ihren Cafezinho: der kleine Schwarze, er wird in der „Hora do Cafezinho“ im Stehen getrunken, brühheiß. Schriftsteller Zweig schrieb dieser nationalen Kaffeespezialität eine Hommage, die für ihn „zauberhaft würzig, stark und nervenbelebend, ein schwarzes Feuer“ darstelle und die er am liebsten in einem kleinen Cafè unweit seiner Wohnung in der Rua Gonçalves Dias genoss : Diese „schwarz duftenden, glühenden Tassen“ trinkt man „auf andere Art als bei uns – oder vielmehr, man trinkt ihn eigentlich gar nicht, sondern stülpt ihn mit einem einzigen scharfen Ruck hinunter wie einen Likör, ganz heiß, so heiß, dass man hierzulande sagt, ein Hund heulend davonlaufen würde, wenn man ein paar Tropfen auf ihn schüttete.“

Sein Bericht über den brasilianischen Kaffee („Besuch beim Kaffee“) erschien zwischen 17. Oktober und 8. November 1936 in der Budapester Zeitung Pester Lloyd – im Jahr 1854 erschien erstmalig die älteste deutschsprachige Zeitung in der k.u.k-Doppelmonarchie Österreich-Ungarn – in einer Folge von Zeitungsartikeln mit dem Titel „Kleine Reise nach Brasilien“. Der Text „Besuch beim Kaffee“ fand unverändert in seinen „Begegnungen mit Menschen, Büchern, Städten“ (Erstausgabe: 1937) eine Zweitverwendung. Zu diesem Buch schrieb Stefan Zweig im Londoner Exil im Vorwort: „Zu wiederholten Male hatten mir Freunde nahegelegt, endlich eine Auswahl meiner betrachtenden Prosaarbeiten zu einem Bande zusammen.“ Im Februar 1941 schloss Zweig sein Brasilien-Buch ab. Unverändert mit denselben Überschriften wurde unter anderem der Text „Besuch beim Kaffee“ in der Buchausgabe übernommen.

Mein großes Dankeschön geht an das Stefan Zweig Zentrum (Salzburg) für das zur Verfügung gestellte Porträtfoto des Autors; Zitierte Literatur: Stefan Zweig, Brasilien Ein Land der Zukunft, Insel Verlag, Frankfurt am Main 1981 /// Stefan Zweig, Die Welt von Gestern – Erinnerungen eines Europäaers, Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2014.