„Unter die Dinge, die mir verhaßt sind, (…) gehört ein Kaffee ohne Bohnen (…)“.

Der Kaffeegenuss zog sich wie eine koffeinhaltige Spur durch das 75-jährige Leben von Friedrich Engels. Sein 200. Geburtstag – er kam am 28. November 1820 in Barmen eines Baumwollfabrikanten auf die Welt – ist Anlass für die „Engels-Geschichte mit Kaffee“. Das Leben des deutschen Philosophen, Gesellschaftstheoretikers, Journalisten und    Historikers von Bremen über Karl Marx bis hin zum  Kaffee mit Bohnen.

Seinen ersten Kontakt zu Bohnen hatte Friedrich Engels während seiner kaufmännischen Lehre, die er von 1838 bis 1841 in Bremen absolvierte.

Lehrjahre sind Kaffeejahre

Seine Lehre – er sollte das Krämerhandwerk erlernen – machte er im Kontor des Exportkaufmanns und königlich-sächsischen Konsuls, Heinrich Leupold. Leupold importierte neben Zigarren und Leinen, vor allem Kaffee. Als sächsischer Konsul solle er, so der Auftrag des sächsischen Königs, „zu allem mitwirken, was den Handel des Königreichs Sachsens nach und über Bremen befördern und Nachteil und Gefahr davon abwenden kann.“ Der Handel mit Kaffee blühte in Bremen im 19. Jahrhundert auf. Engels wohnte in seiner Lehrzeit unweit des Hafens Schlachte in der Nähe der St. Martinikirche. Täglich erlebte er wie Import- und Exportgüter aus der ganzen Welt von über 200 Schiffen im Bremer Hafen ankamen. Beeindruckend waren die am Uferhafen gestapelten Kaffeesäcke, die dann an die Händler verteilt wurden. Dieses Treiben fand Engels viel spannender als die seiner Meinung nach langweiligen Lehre. Er wollte lieber Jura studieren und verfolgte im Geheimen seine literarischen Interessen.

Engels´ journalistische Kaffeesätze

Seine Beobachtungen aus Bremen hielt Engels schon bald für unterschiedliche Zeitungen schriftlich fest. Unter dem Pseudonym Friedrich Oswald schrieb er beispielsweise im Cotta´schen „Morgenblatt für gebildete Leser“ im Juli 1840, dass in Bremer „Kaufleute Tag für Tag das Museum, die Börsenhalle und die Union (besuchen), um über Kaffee und Tabakpreise (…) zu sprechen.“. Am 21. August 1841 zitierte er in einer Zeitungsreportage einen Jahresbericht des bremischen Handels: „Kaffee im Sommer und Herbst gefragt, bis gegen den Winter flauere Zustände aufkamen.“

Kaffee spielte fortan in seinen Berichten als Journalist immer eine wichtige Rolle. In Bremen lernte er die vor Ort häufig verwendete Qualitätsbezeichnung für Rohkaffee kennen: „Suitable for Bremen.“ Zu diesem Zeitpunkt galt Kaffee noch als Luxusgut, das städtischen Eliten und dem Adel vorbehalten blieb. „Viele ziehen dem Kaffee den Thee vor, namentlich unter den Deutschen die Norddeutschen, (…)“, schrieb er am 1. Dezember 1841. Kaffee entwickelte sich erst dank der Industrialisierung ab Mitte des 19. Jahrhunderts zum Volksgetränk.

Engels schwärmte im „Morgenblatt für gebildete Leser“ seinen Lesern (1. 12.1841) unter der Überschrift „Gastrologische Wanderungen“ vom Kaffee: „Wenn der Kaffee ächt ist, dann ist er besonders zu gewissen Zeiten (..) aufregend, ermunternd, Gedanken erweckend.“. Er vermerkte aber auch: „Freilich auch Böses wird dem Kaffee von Ärzten nachgesagt.“ Kaffee und seine Herkunft faszinierten ihn: „Dass der Kaffee eine orientalische Frucht ist, nimmt man sogleich am frisch gebrannten wahr. Wie lieblich, wie aromatisch ist der Duft!“

In seinen Briefen an seine Schwester Marie – er nannte sie in einem anderen Brief vom 4.8.1840 „(…) eine rechte Kaffeeschwester…“ – beschrieb er mit Ironie, was er während seiner Lehre erlebt hatte. Sein Lehrherr Leupold legte Wert darauf, dass er sich in den verschiedenen Kaffeesorten auskennen müsse: „Weißt du was superfein mittelgut ordinärer Domingokaffee ist?“, fragte Engels in einem Brief seine Schwester, um ihr gleich die Antwort mitzuliefern: „Das ist wieder einer von diesen Begriffen, die in der Philosophie des Kaufmannstandes vorkommen und Eure Geisteskräfte nicht verstehen können. Superfein mittelgut ordinärer Domingokaffee ist Kaffee von der Insel Haiti, der einen leichten Anflug von grüner Farbe hat, im übrigen grau ist und wo man zu zehn guten Bohnen vier schlechte Bohnen, sechs Steinchen und ein viertel Lot Dreck in den Kauf bekommt.“

Kaffeehandel in Bremen

Die zu Beginn des 19. Jahrhunderts veränderten politischen Verhältnissen in Mittel- und Südamerika – Portugal und die Niederlande mussten ihre ehemaligen Kolonien aufgeben – hatten auch Auswirkungen auf den Kaffeehandel.

Mit Kuba pflegten die Bremer Kaufleute schon seit den 1820er Jahren enge Handelsbeziehungen – zu Beginn beschränkte sich der Handel vornehmlich auf Tabak. „Auf der Lonja (=Börse) von Havanna wird ebensoviel Bremer Plattdeutsch gesprochen wie Spanisch“, schrieb Engels über den Einfluss der Bremer im kubanischen Wirtschaftsleben im Morgenblatt am 19.1.1841.

 

Friedrich Engels Briefmarke aus der DDR (Ausgabewert: 30Pf) aus dem Jahr 1952;      Grafiker: Heinrich Ilgenfritz.

Da die Blütezeit der kubanischen Kaffeeproduktion aber schon ein Weilchen zurücklag (1817 bis 1830), mussten die Bremer Kaufleute zunächst über Händler in Amsterdam den Kaffee beziehen. Mit den sich verändernden Verhältnissen konnten die Bremer Kaufleute nun direkte Geschäfte mit den Erzeugern und Plantagen in den einstigen Kolonien der Portugiesen und der Holländer aufbauen. Vor allem Brasilien wurde zum Hauptlieferanten von Kaffee.

Ab Mitte des 19. Jahrhunderts versorgte Bremen den gesamten deutschen Kaffeemarkt. Vor allem hochwertige Arabica-Sorten wurden gehandelt. Schon vor Ort prüften Fachleute den Kaffee auf seine Eignung für Bremer Maßstäbe. Der Genuss blieb aber teuer. Bei den Bremer Kaufleuten war Rohkaffee mit dem Zusatz „Suitable for Bremen“ besonders gefragt, weil diese Bezeichnung eine hohe Qualität der Bohnen versprach.

„Wenn Kaffee ankam, war der nicht nur ungemahlen, sondern auch ungebrannt“, schrieb Engels in der „Neuen Oder-Zeitung“ (6.1.1855). Daher gehörte im 19. Jahrhundert die Röstpfanne in jeden Haushalt, um den Kaffee eigenständig zu rösten.

Eine Bremer Kuriosität bildete dabei der Segler-Kaffee: Zwischen den Eichenplanken im Laderaum und an der Seeluft fermentierte der Kaffee und erhielt so eine besondere Geschmacksnote.

Bremen war nicht nur der wichtigste Importhafen für Kaffee, sondern auch der Ort des ersten Kaffeehauses auf deutschem Boden. Dieses eröffnete im Gebäude des „Schütting“, dem Sitz der einflussreichen Kaufmannschaft, am Bremer Marktplatz. Im Jahre 1673 hatte der niederländische Kaffeehändler Jan Jantz van Huesden beim Rat der Stadt Bremen die Lizenz beantragt. Sechs Jahre später durfte er das „ausländische indianische Getränk“, gemeint war Kaffee, ausschenken.

Kaffeespekulation: volatile Kaffeepreise, globaler Handel, steigender Konsum

Früh erkannten Karl Marx und Friedrich Engels, dass der Kapitalismus grenzenlos war. Gerade Güter wie Kaffee wurden immer populärer. Kaffee konnte seit dem Aufblühen der Plantagenwirtschaft in der Karibik und in Indien sowie der Ausbeutung von Sklaven als preiswerte Massenware in vielen Städten Europas angeboten werden. An den europäischen Rohstoffbörsen gab es ein Auf und Ab des Preises. Es entwickelte sich an den Rohstoffbörsen – auch in Bremen – der Terminhandel. Die Verkäufe fanden bereits an der Börse statt, bevor die entsprechenden Produkte geerntet waren bzw. am Ort vorrätig waren. Die Spekulation griff auch in Europa um sich. So waren die Preise von Kaffee auf dem Kontinent vier bis fünfmal höher als in England geschätzt. Eine telegraphische Nachricht beispielsweise über Ausfälle in der brasilianischen Kaffeeernte ließ die Preise an den Kaffeebörsen in die Höhe schießen.

Die steigenden Börsenpreise waren ein Spiegelbild der erhöhten Nachfrage nach Kaffee in Europa. Auch in den 39 Bundesstaaten des Deutschen Bundes nahm die Kaufkraft nach der Industriellen Revolution zu – Kaffee war nun auch für breite Bevölkerungsschichten bezahlbar.

Unter dem Eindruck des globalen Handels nutzte Karl Marx das Beispiel Kaffee auch in seinem Buch „Das Kapital“ als warnendes Beispiel, wohin sich ein grenzenloser Kapitalismus entwickeln konnte. „Da jedoch diese Nahrungsmittel (Kaffee,…) nicht plötzlich innerhalb des Jahres zu vermehren sind, wächst ihre Einfuhr (…). Daher Übereinfuhr und Spekulation in diesem Theil des Importgeschäfts.“.

In einer Rede am 9. Januar 1848 in Brüssel thematisierte Karl Marx den Freihandel am Beispiel der Entwicklung des Kaffeeanbaus, wie sich dieser angesichts des gesteigerten Konsums als preiswerte Hauptkolonialware entwickeln konnte: „Vor zwei Jahrhunderten hatte die Natur, die sich nicht um den Handel kümmert, dort (=Westindien) weder Kaffeebäume noch Zuckerrohr gepflanzt. Und es wird vielleicht kein halbes Jahrhundert dauern, bis sie dort weder Kaffee noch Zucker mehr finden. Denn bereits hat Ostindien durch billigere Produktion (…) den Kampf siegreich aufgenommen.“

Als Folge der enormen Nachfrage kam es beim Kaffee zu Lebensmittelfälschungen. Hierüber berichtete Engels in seinem 1845 veröffentlichten Buch „Die Lage der arbeitenden Klasse in England“. Dieses Werk sorgte für einiges Aufsehen. Hier schrieb er beispielsweise über gefälschten Kaffee, wobei Engels aus der Zeitung Liverpool Mercury zitierte: „Unter gemahlenen Kaffee wird Zichorie oder anderes wohlfeiles Zeug gemischt, ja sogar unter ungemahlenen, wobei die Mischung in die Form von Kaffeebohnen gebracht wird.“

Kaffeehäuser sind Orte der Diskussion

Nach Beendigung seiner Lehre zog Engels nach Berlin, um dort ab 1841 seinen Militärdienst zu absolvieren. Dabei entwickelten sich die immer mehr in den Städten eröffnenden Kaffeehäuser als Orte, an denen sich Engels mit anderen Personen traf. So verbrachte er während seines Militärdienstes seine Freizeit am liebsten im Café Stehely (am Gendarmenmarkt). Hier debattierte er mit anderen Gästen über politische und gesellschaftliche Probleme oder über die Anwendung der Hegelschen Philosophie.

Auch mit Karl Marx diskutierte er sehr gerne in Kaffeehäusern. Nach einem Berliner Treffen besuchte Engels Marx 1844 in Paris. Besonders gerne und häufig hielten sich die beiden im Café de la Régence auf.

Im Deutschen Kaffeehaus Stollwerck in Köln diskutierten die beiden auch über das Werk „Manifest der Kommunistischen Partei“. Dieses Kaffeehaus war aufgrund der Nähe zur Redaktion der „Neuen Rheinischen Zeitung“ am Heumarkt von 1848 bis 1849  fast ein zweites Redaktionsbüro, in dem sich die Redakteure sehr gerne aufhielten.

Auch im privaten Briefwechsel zwischen Engels und Marx spielen Kaffeehäuser eine wichtige Rolle. So schrieb Marx während seiner Kuraufenthalte in Karlsbad in seinen Briefen unter anderem: „Danach ein Marsch von wenigstens einer Stunde, endlich der Kaffee, der hier vorzüglich ist, in einem Kaffeehaus außerhalb der Stadt.“ (18.9.1874). Ein Jahr später berichtete Marx: „Die stritten über die Vorzüge des Kaffees in den verschiedenen berühmten Karlsbader Restaurationen. (…) Es ist statistisch erwiesen, dass der Kaffee im Garten von Schönbrunnen der beste ist.“ (21.8.1875)

Vor dem Hintergrund der revolutionären gesellschaftspolitischen Ereignisse der Zeit und einer von Zensur unterdrückten medialen Öffentlichkeit verströmten die immer mehr werdenden Kaffeehäuser ein Hauch von Freiheit. Wie für viele Zeitgenossen auch, war für Engels und Marx das Kaffeehaus ein willkommener und wichtiger Ort der politischen Diskussion und des Austausches mit ähnlich Denkenden.